Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Bibliotheks- und Informations­wissen­schaft

Forschung

Information Behavior untersucht die vielfältigen Interaktionen zwischen Mensch, Information und Technologie. Im Speziellen wird analysiert, wie Menschen in verschiedenen Kontexten Informationen suchen und nutzen. Dabei wird nicht nur das aktive oder bewusste Suchverhalten erforscht, sondern auch das passive, unabsichtliche und vermeidende Verhalten von Menschen bei der Informationssuche und Informationsaufnahme. Beispiele für aktuelle Forschungsfelder sind: Informationsvermeidung, Informationsüberfluss, Personal Information Management und Informationskompetenz.

Während sich erste Forschung in den 1950er Jahren vor allem auf das Informationsverhalten von Forscher*innen selbst konzentrierten, sind inzwischen die User, ihre Motivation und ihr Informationsbedarf zum Mittelpunkt des Forschungsbereiches geworden. Es wurden zahlreiche Modelle und Theorien entwickelt, die das Suchverhalten und den Informationsbedarf von Menschen zu erklären versuchen. Genauso vielfältig sind die Methoden, mit denen Nutzerstudien durchgeführt werden können.

 


 

Forschungsschwerpunkte

Die Entwicklung von methodischen Standards (Prof. Greifeneder)

Die Entwicklung von methodologischen Standards ist ein Leitmotiv für Prof. Greifeneders Forschung. Nur wenige LIS-Forschende konzentrieren sich in ihrer Forschung auf methodische Fragen, denn dies erfordert ein tiefes Wissen über verschiedene Methoden - von statistischen bis hin zu qualitativen Ansätzen, von Usability- und Eye-Tracking-Studien bis hin zu Fokusgruppen - sowie ein starkes Interesse an der kontinuierlichen Überwachung neuer Methoden. Es bedeutet auch oft, sich auf dünnem Eis zu bewegen: ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Untersuchung der Validität und der Aufdeckung von Situationen zu finden, in denen die Forschungsumgebungen oder die Ergebnisse in unserem Bereich nicht valide sind oder Gefahr laufen, eine begrenzte Validität zu haben. Die Untersuchung von Methoden umfasst die Beobachtung, Hinterfragung und Validierung von Indikatoren, die zur Untersuchung spezifischer Phänomene verwendet wurden (z. B. eine niedrige Bearbeitungszeit als Indikator für die Schwierigkeit einer Aufgabe). Dazu gehören auch Fälle, in denen sich die Bedeutung der Indikatoren in neuen Forschungskontexten geändert haben könnte. Die Entwicklung von methodologischen Standards ist ein wesentliches Thema für den langfristigen wissenschaftlichen Wert der Ergebnisse in unserem Bereich.

 

Information Behavior und die digitale Transformation (Prof. Greifeneder)

Information Behavior untersucht, wie Menschen mit der Informationstechnologie umgehen. Unter anderem wird untersucht, warum Menschen Informationen meiden, nach welchen Mustern Menschen Informationen sammeln und bewerten, aber auch wie Menschen mit ihren persönlichen Daten umgehen. Wie der Mensch auf die digitale Transformation reagiert und mit ihr umgeht, ist eine der Kernfragen dieser Professorenstelle. Zwei wesentliche Merkmale des digitalen Wandels sind hochgradig personalisierte Dienste und die allgegenwärtige Informationsnutzung. Das bedeutet, dass die Menschen bei der Interaktion mit der Technologie jedes Mal, wenn sie einen Dienst in Anspruch nehmen, einen ganz anderen Nutzungskontext haben (Ubiquität), und dass sich die Nutzung von einem Nutzer zum anderen stark unterscheidet (Personalisierung). Daher erfordert das Verständnis des Informationsverhaltens der Menschen während dieses digitalen Wandels methodische Ansätze, die den Kontext der Menschen ausdrücklich berücksichtigen. Das bedeutet auch, dass wir die Gültigkeit der von uns gesammelten Daten überdenken müssen (d. h. haben wir Daten gemessen und erfasst, die das repräsentieren, was wir untersuchen wollten, oder haben wir nur Daten gesammelt, die zwar zugänglich waren, aber nicht die zu untersuchende Situation repräsentieren) und die Art und Weise, wie wir diese Daten analysieren (d. h. was ist ein Muster in einer allgegenwärtigen personalisierten Informationsnutzungssituation?).

 

The Role of Mobile Devices in Young Children's Information Behavior (Dr. Kirsten Schlebbe)

Im Rahmen ihrer kumulativen Dissertation am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft hat Kirsten Schlebbe zwischen 2017 und 2022 untersucht, welche Rolle mobile digitale Geräte im Informationsverhalten junger Kinder (0-6 Jahre) einnehmen. Dabei hat sie zum einen erforscht, ob informationsbezogene Aktivitäten Teil der Nutzung mobiler Technologien durch junge Kinder sind. Zum anderen untersuchte sie, ob Aspekte des kindlichen Informationsverhaltens bei der Sichtweise von Eltern und Kinder auf die Nutzung von mobilen Geräten eine Rolle spielen. Ihre Forschungsaktivitäten präsentierte Kirsten Schlebbe unter anderem beim Doctoral Colloquium der iConference und auf der LIDA-Konferenz. Darüber hinaus diskutierte sie ihre Ideen mit anderen jungen Wissenschaftler*innen im Rahmen der zweiten DigiLitEY Training School in Madrid. Mit den gewonnenen Erkenntnissen leistet die Dissertation einen wichtigen Beitrag zur Adressierung bestehender Forschungslücken im Bereich des Informationsverhaltens junger Kinder im Allgemeinen sowie im spezifischen Kontext der Nutzung mobiler Geräte.

 

User Experience Methodenforschung mit SeniorInnen (Vera Hillebrand, M.A)

Die Methoden der User Experience Forschung sind auf körperlich unbeeinträchtigte Menschen ausgerichtet. Der Anteil älterer Menschen, die technische Geräte und Applikationen nutzen wollen wird steigen. Ziel des Projektes ist es, bereits bekannte Methoden zu verändern und neue Methoden zu entwickeln um die Forschung mit älteren, körperlich eingeschränkten Menschen zu ermöglichen.

 

Gesundheitsinformationsverhalten und digitales Wohlbefinden von vulnerablen Gruppen (Leyla Dewitz, M.A.)

Digitales Wohlbefinden (engl. Digital Well-being) gilt als eine Praxis und als ein Zustand des sozialen, physiologischen und psychologischen Wohlbefindens beim Gebrauch von Technologie. Dabei handelt es sich um einen dynamischen Erfahrungszustand den Menschen in ihrer Beziehung mit Technologie erreichen können; wobei Fähigkeiten der Resilienz und Selbstregulation in der Technologie-Mensch-Beziehung eine Rolle spielen. Das Projekt untersucht empirisch, anhand theoretischer und qualitativer Forschungsansätze, die Zusammenhänge zwischen dem Gesundheitsinformationsverhalten und dem subjektiven digitalen Wohlbefinden von Menschen. Ziel ist es, Nachweise zu erhalten, inwiefern das emotional-subjektive Erleben in der Interaktion mit Technologien Auswirkungen darauf hat, wie Menschen Gesundheitsinformationen beispielsweise suchen, finden, erleben, bewerten und vermeiden. Das Projekt fokussiert sich auf verschiedene Use Cases, die spezifische vulnerable Gruppen in Bezug auf die thematischen Schwerpunkte abbilden. Aktuell wird eine Studie zum Gesundheitsinformationsverhalten und digitalen Wohlbefinden von Menschen mit sozialer Angststörung durchgeführt. Methodisch orientiert sich diese Studie an einem explorativ-qualitativen Studiendesign und bezieht dabei interaktiv-partizipative Ansätze mit ein.

 

Informationsverhalten von jungen Erwachsenen mit lebensbedrohlichen Krankheiten (Paulina Bressel, M.A.)

Die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung hat einen großen Einfluss auf das Leben der Betroffenen. Es entstehen neue Informations-, Service- und Versorgungsbedürfnisse in verschiedenen Lebensbereichen, die das Gesundheitsinformationsverhalten beeinflussen. Obwohl jeder betroffen sein kann, wird eine Zielgruppe in der Forschung oft vernachlässigt: junge Erwachsene mit lebensbedrohlichen Erkrankungen. Während die medizinische und psychologische Forschung diese Zielgruppe vermehrt mit Hilfe informationswissenschaftlicher Modelle berücksichtigt, fehlt es in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft an einer Differenzierung. Ziel dieses Projektes ist es daher, das Gesundheitsinformationsverhalten junger Erwachsener mit lebensbedrohlichen Erkrankungen (wie Krebs und Essstörungen) zu untersuchen, indem Informationsbedürfnisse und verschiedene Verhaltensweisen (z.B. Informationssuche und -weitergabe) in den Mittelpunkt gestellt und verschiedene Methoden (z.B. Social Media Analyse, qualitative Interviews) eingesetzt werden.